Zwei Hinrichtungen in Belarus

Dzmitry Kanavalau und Uladzslau Kavalyou sind in Belarus hingerichtet worden.

Amnesty International hatte sich für die Begnadigung der Verurteilten, für die Untersuchung der geäußerten Folter- und Misshandlungsvorwürfe und für ein neues Verfahren nach internationalen Standards eingesetzt. Amnesty fordert außerdem ein unverzügliches Hinrichtungsmoratorium in Belarus. Die Behörden werden nun dazu angehalten, die Leichname der beiden Männer ihren Familien zur Beisetzung zu übergeben.

Am 17. März erhielt Lubou Kavalyou, die Mutter von Uladzslau Kavalyou einen Brief vom Obersten Gerichtshof. Mit diesem Brief, datiert vom 16. März, setzte man sie darüber in Kenntnis, dass ihr Sohn gemäß des am 30. November 2011 durch den Obersten Gerichtshof von Belarus ergangenen Urteils hingerichtet worden ist. Auch die Hinrichtung von Dzmitry Kanavalau ist von staatlichen Medien bestätigt worden. Uladzslau Kavalyou wurde hingerichtet, obwohl der UN-Menschenrechtsausschuss offiziell beantragt hatte, das Todesurteil solange nicht zu vollstrecken, bis der Ausschuss über seinen Antrag entscheiden konnte.

Dzmitry Kanavalau und Uladzslau Kavalyou waren nach einem Verfahren, dass den internationalen Standards für faire Verfahren nicht entsprochen hatte, am 30. November 2011 zum Tode verurteilt worden. Beide Todesurteile ergingen durch den Obersten Gerichtshof von Belarus, so dass keine weiteren Rechtsmittel eingelegt werden konnten. Am 14. März lehnte Staatspräsident Lukaschenko das Gnadengesuch von Dzmitry Kanavalau und Uladzslau Kavalyou ab. In Briefen hatte Lubou Kavalyou Abgeordnete des belarussischen Parlaments darum gebeten, Einfluss auf Alexander Lukaschenko zu nehmen und ihn dazu zu bringen, ein Hinrichtungsmoratorium für Belarus zu erlassen. Am 11. März besuchte Lubou Kavalyou ihren Sohn im Untersuchungsgefängnis in der Valadarski-Straße in Minsk. Dort sah sie ihn das letzte Mal. Lubou Kavalyou glaubt, dass man sie mit der übereilten Hinrichtung dafür bestrafen wolle, dass sie versucht hat, um das Leben ihres Sohnes zu kämpfen.

Das Lubou Kavalyou kurz nach der Hinrichtung ihres Sohnes einen Brief diesbezüglich erhalten hat, entspricht nicht der üblichen Vorgehensweise in Belarus. Bislang werden Angehörige oft erst nach Wochen, manchmal nach Monaten über die Hinrichtung ihrer Familienmitglieder informiert. Der Leichnam wird den Familien nicht übergeben und auch der Bestattungsort wird nicht bekannt gegeben. Dies bedeutet noch größeres Leid für die Angehörigen. Im Jahr 2003 urteilte der UN-Menschenrechtsausschuss im Fall der beiden hingerichteten Gefangenen Anton Bondarenko und Igor Lyashkevich, dass die Geheimhaltung in Bezug auf die Vollstreckung von Todesurteilen in Belarus die Familienangehörigen bestrafe und einer unmenschlichen Behandlung gleichkomme. Tatiana Kavalyoua, die Schwester von Uladzslau Kavalyou berichtete, dass Sicherheitskräfte versucht haben jegliche Trauerbekundungen in der näheren Umgebung ihres Wohnhauses in Vitebsk, im Nord-Osten von Belarus, zu verhindern. Doch obwohl sie beispielsweise versuchten die Menschen davon abzuhalten Blumen niederzulegen oder Kerzen anzuzünden, stellten etwa 30 Menschen Kerzen im Eingangsbereich ihres Hauses auf.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Fall von Dzmitry Kanavalau und Uladzslau Kavalyou hat in Belarus großes Aufsehen erregt, da bei der Explosion am 11. April 2011 insgesamt 15 Menschen ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden, und das ganze Land schockiert war. Dzmitry Kanavalau wurde schuldig gesprochen, terroristische Anschläge begangen und Sprengstoffe hergestellt zu haben, die mit einer Reihe von Bombenanschlägen in Belarus, zuletzt mit denen vom 11. April 2011 in Minsk, in Verbindung stehen. Uladzslau Kavalyou wurde der Beihilfe und Unterlassung der Informationspflicht gegenüber der Regierungsbehörden für schuldig befunden.

Die Schnelligkeit und Art sowohl der Ermittlungen als auch des Gerichtsverfahrens geraten zunehmend in die öffentliche Kritik. Beide zum Tode Verurteilten wurden innerhalb von wenigen Stunden nach der Explosion festgenommen und ihr Verfahren genügte den internationalen Standards für faire Prozesse in vielerlei Hinsicht nicht. Die Mutter von Uladzslau Kavalyou gibt an, dass beide Männer während ihrer Verhöre geschlagen worden sind. Es gibt keinen gerichtsmedizinischen Nachweis dafür, dass die Verurteilten an dem Anschlag beteiligt waren. Ebenso wenig konnten Sprengsatzspuren an ihnen nachgewiesen werden. Laut Experten sei es für die beiden auch nicht möglich gewesen, Sprengsätze in dem Keller hergestellt zu haben, wie es in ihren Anklagen heißt.

Laut einer Studie des litauischen Forschungsinstituts Independent Institute of Socio-Economic and Political Studies (IISEPS) vom September 2011 glauben nur 21,2 Prozent der BelarussInnen, dass die Explosion in Minsk im April von “einem einzigen Terroristen und seinem Helfer” ausgeführt wurde. 32,4 Prozent geben an, dass das Verbrechen ihrer Meinung nach auf Befehl ausgeführt wurde und 36,7 Prozent glauben, dass andere Personen für die Explosion verantwortlich sind.

In Belarus kam es nach der übereilten Verhängung der beiden Todesurteile zu einer noch nie da gewesenen Welle von Skepsis an den Urteilen, und es wurde eine Petition zur Verhinderung der Hinrichtung von Dzmitry Kanavalau und Uladzslau Kavalyou gestartet. Über 50.000 Personen unterschrieben die Petition allein in Belarus. Mehr als 250.000 Unterschriften wurden weltweit von Mitgliedern von Amnesty International und belarussischen Organisationen, die eine Abschaffung der Todesstrafe in ihrem Land fordern, gesammelt. Die Petition, die als lokale Initiative des Menschenrechtszentrums Viasna begonnen hatte, entwickelte sich zu einem zentralen Element der Anti-Todesstrafenkampagne von Amnesty International anlässlich des 50. Jubiläums der Organisation.

Amnesty International wendet sich bedingungslos gegen die Todesstrafe, da sie die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt. Belarus ist das letzte Land in Europa und der ehemaligen Sowjetunion, das nach wie vor Hinrichtungen vollstreckt. Die Todesstrafe wird vor dem Hintergrund eines mit Mängeln behafteten Justizsystems, und der Geheimhaltungspolitik bezüglich der Vollstreckung angewendet. D.h. die Verurteilten und deren Familienangehörige werden häufig nicht im Vorfeld über die Hinrichtung informiert und die Angehörigen erfahren manchmal erst Monate nach der Vollstreckung von der Hinrichtung.

Amnesty International verurteilt die fortdauernde Anwendung der Todesstrafe durch die belarussischen Behörden. Obwohl die Regierung in öffentlichen Erklärungen mitteilte, dass man beabsichtige, Schritte in Richtung einer Abschaffung der Todesstrafe zu ergreifen, werden nach wie vor Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt. Im Jahr 2010 wurden zwei Männer hingerichtet und 2011 war es mindestens ein Mann.

In Belarus informiert man Gefangene in der Todeszelle nicht im Vorhinein über ihre Hinrichtung. Sie werden in der Regel wenige Minuten, nachdem man ihnen mitgeteilt hat, dass ihr Gnadengesuch abgelehnt wurde, hingerichtet. Man bringt sie in einen Raum, in dem ihnen in Anwesenheit des Gefängnisdirektors, des Staatsanwalts und eines weiteren Mitarbeiters des Innenministeriums mitgeteilt wird, dass ihr Gnadengesuch abgelehnt wurde und das Todesurteil nun vollstreckt wird. Dann werden sie in einen angrenzenden Raum gebracht. Dort zwingt man sie, sich hinzuknien und schießt ihnen in den Hinterkopf.

Nähere Informationen zur Todesstrafe in Belarus finden Sie hier.
Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in Belarus finden Sie hier.