Folter: Sorge um Andrei Sannikau

Am 24. Januar konnte sich der gewaltlose politische Gefangene Andrei Sannikau nach drei Monaten erstmals wieder mit seiner Frau treffen. Er sagte ihr, dass er gefoltert worden sei und um sein Leben fürchte.

Andrei Sannikau, Präsidentschaftskandidat der belarussischen Opposition, wurde am 14. Mai 2011 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Grund war seine friedliche Teilnahme an den Demostrationen nach den Wahlen in Minsk im Dezember 2010. Am 20. Januar gestattete man ihm ein Treffen mit seinem Anwalt, und am 24. Januar durfte er seine Frau Iryna Khalip sehen. Am 25. Januar berichtete Iryna Khalip bei einer Pressekonferenz, dass Andrei Sannikau sehr dünn und gesundheitlich angeschlagen gewesen sei. Er habe ihr außerdem gesagt, dass im September “die Folter angefangen” habe. Iryna Khalips Aussagen zufolge hielt Andrei Sannikau gegen Ende des Treffens ein Stück Papier hoch, auf dem stand: “Hier geht es um Leben und Tod. Sie können mich jederzeit umbringen.”

Andrei Sannikau teilte seiner Frau zudem mit, dass man ihm gedroht habe, seinem vierjährigen Sohn etwas anzutun. Er gab an, am 20. November 2011 unter Druck und aus Angst um seinen Sohn ein Gnadengesuch an Präsident Lukaschenka unterschrieben zu haben.

Andrei Sannikau konnte nicht offen mit seinem Anwalt und seiner Frau sprechen. Vor dem Treffen mit seinem Anwalt warnte man beide Männer, sich thematisch auf die Strafsache und etwaige Rechtsmittel zu beschränken. Ihr Gespräch fand im Beisein von Gefängniswärtern statt und wurde aufgezeichnet. Andrei Sannikau war am 24. November 2011 in die Gefängniskolonie Vitba-3 in Wizebsk überführt worden. Dem voraus gingen beinahe zwei Wochen permanenter Verlegung von einer Hafteinrichtung in die andere. Amnesty International ist der Ansicht, dass Andrei Sannikau deshalb ständig in andere Gefängnisse transportiert wird, um verstärkten Druck auf ihn auszuüben und ihn zu einem “Geständnis” zu zwingen.

Viele derjenigen, die ebenfalls im Zuge dieser Demonstrationen festgenommen worden waren, hat man freigelassen, nachdem sie ein Geständnis unterzeichnet hatten, in dem sie zugaben, die “Massenkrawalle” organisiert oder an ihnen teilgenommen zu haben.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Andrei Sannikau, Präsidentschaftskandidat der Opposition, wurde im Mai 2011 wegen seiner Teilnahme an den Demonstrationen nach der Wahl zu fünf Jahren Haft verurteilt. Amnesty International vertritt die Auffassung, dass die erhobenen Anklagepunkte gegen ihn sowie mindestens fünf weitere Männer unbegründet sind und sie nur deshalb zur Zielscheibe der Behörden wurden, weil sie ihre Rechte auf Versammlungsfreiheit sowie auf freie Meinungsäußerung in friedlicher Weise ausgeübt haben.

Im September 2011 wurden die gewaltlosen politischen Gefangenen Andrei Sannikau und Zmitser Dashkevich über einen Zeitraum von mehr als zehn Tagen von einer Gefängniskolonie zur anderen transportiert. Zwischen dem 20. und dem 26. September hatte der Anwalt von Andrei Sannikau keinerlei Informationen über dessen Verbleib erhalten. Die Ehefrau von Andrei Sannikau, Iryna Khalip, berichtete bei einer Pressekonferenz, dass ihr Mann von den Mitinsassen in Wizebsk und in Mogilev mit folgenden Worten bedroht worden sei: “Wir haben nicht die Absicht, dich umzubringen, aber…vielleicht wirst du in eine andere Zelle verlegt, wo sie dich schlagen oder sogar töten. Manchmal bringen Gefangene sich gegenseitig um. Das passiert.”

Zmitser Dashkevich befindet sich derzeit im Straflager 13 in Glubokoe (Region Wizebsk) in Einzelhaft. Er war am 27. September 2011 dorthin verlegt worden.

Amnesty International fordert weiterhin die Freilassung der gewaltlosen politischen Gefangenen, die im Zusammenhang mit den Demonstrationen im Dezember 2010 festgenommen wurden. Außer Andrei Sannikau und Zmitser Dashkevich sind folgende weitere gewaltlose politische Gefangene in Belarus inhaftiert: Zmitser Bandarenka, der am 27. April zu 2 Jahren Haft verurteilt wurde; Eduard Lobau, der am 24. März eine vierjährige Haftstrafe erhielt; der am 16. Mai zu drei Jahren Haft verurteilte Pavel Sevyarynets sowie Mykalau Statkevich, dessen am 26. Mai verkündetes Urteil sich auf sechs Jahre Haft beläuft.

Wenn Sie sich mit Amnesty International für die gewaltlosen politischen Gefangenen in Belarus einsetzen möchten, finden Sie hier Briefaktionen und Petitionen!

Weitere Informationen zu den gewaltlosen politischen Gefangenen in Belarus und zur dortigen Menschenrechtssituation finden Sie hier.