Journalist freigelassen

Der Journalist Andrzej Poczobut ist am 30. Juni 2012 gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Gegen ihn ist jedoch weiterhin eine Anklage wegen “Verleumdung des Staatspräsidenten” anhängig.

Sollte Andrzej Poczobut schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Freiheitsstrafe von fast acht Jahren. Seine Festnahme liegt allein darin begründet, dass er sich journalistisch betätigt und sein Recht auf freie Meinungsäußerung in legitimer Weise wahrgenommen hat.

Wenn Sie sich mit Amnesty International für Andrzej Poczobut einsetzen möchten, finden Sie hier eine Briefaktion und Petition!

Andrzej Poczobut ist am 30. Juni 2012 gegen Kaution und unter der Auflage aus der Haft frei gekommen, die im Westen von Belarus gelegene Stadt Grodno, in der er gemeinsam mit seiner Familie lebt, nicht zu verlassen. Außerdem muss der Journalist Vorladungen der Strafermittlungsbehörden jederzeit Folge leisten und sich drei Mal im Monat bei der Polizei melden. Gegen Andrzej Poczobut ist nach Paragraph 367 (2) des belarussischen Strafgesetzbuchs Anklage wegen “Verleumdung des Staatspräsidenten” erhoben worden. Die Anklage stützt sich auf von Andrzej Poczobut verfasste Artikel, die in unabhängigen Presseorganen des Landes erschienen waren. Andrzej Poczobut sieht in seiner Festnahme den Versuch, ihn einzuschüchtern und von seiner journalistischen Tätigkeit abzuhalten. Er verweigert sowohl die Aussage als auch die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden.

Andrzej Poczobut hat in seinen Artikeln über die Schicksale von gewaltlosen politischen Gefangenen in Belarus geschrieben und die Reaktion der Behörden auf die Welle “schweigender Proteste” im Land beanstandet. Darüber hinaus hatte er das Strafverfahren gegen Uladzislau Kavalyou und Dzmitry Kanavalau kritisiert, die im März 2012 im Zusammenhang mit einer Serie von Bombenanschlägen in Belarus hingerichtet worden waren.

Im März 2011 erging gegen Andrzej Poczobut im Zusammenhang mit Beiträgen, die er für die Gazeta Wyborcza verfasst hatte, Anklage wegen “Beleidigung des Staatspräsidenten” und “Verleumdung des Staatspräsidenten”. Am 5. Juli 2011 wurde er zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Sollte der Journalist auch der noch anhängigen Anklagen schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Gesamtstrafe von bis zu sieben Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug.

Andrzej Poczobut war am 21. Juni 2012 in seiner Wohnung in Grodno festgenommen worden. Zugleich hatten die Behörden seine Privatwohnung und sein Büro durchsucht und dabei sowohl Unterlagen als auch seinen Computer beschlagnahmt. Der Computer wird derzeit von Fachleuten untersucht.

Hintergrundinformationen

Amnesty International geht davon aus, dass die Festnahme von Andrzej Poczobut Teil eines seit langem zu beobachtenden Musters staatlicher Repression gegenüber zivilgesellschaftlich engagierten BürgerInnen und JournalistInnen darstellt. Nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2010 hat sich die Menschenrechtssituation im Land drastisch verschlechtert. Führende Oppositionelle wurden inhaftiert, misshandelt und in unfairen Gerichtsverfahren abgeurteilt. Bis heute sehen sich regierungskritische NGOs, zivilgesellschaftlich engagierte AktivistInnen und JournalistInnen anhaltenden Schikanen ausgesetzt.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 33 der Verfassung von Belarus wie auch in internationalen Abkommen, die das Land ratifiziert hat, garantiert. Die Einhaltung dieses Rechts ist somit gesetzlich vorgeschrieben. Einschränkungen bei der legitimen Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unter Berufung auf das Strafgesetzbuch verstoßen nach Überzeugung von Amnesty International gegen die internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen von Belarus, insbesondere gegen Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Amnesty International ist es durchaus bewusst, dass nach Artikel 19 die Ausübung der verbrieften Rechte bestimmten Einschränkungen unterworfen werden kann, die für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer oder für den Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind. Andererseits schützt der genannte Artikel das Recht auch auf harte Kritik an VertreterInnen der Regierung und anderer staatlicher Institutionen. Die Strafvorschriften eines Landes dürfen daher nicht herangezogen werden, um kritische Äußerungen über VertreterInnen der Staatsmacht, anderer staatlicher FunktionsträgerInnen oder über die von ihnen getroffenen Entscheidungen zu unterbinden. Ebenso wenig dürfen Strafgesetze zur Einschüchterung von Menschen missbraucht werden, die staatliches Handeln auf legitime Weise beanstanden.

Die Behörden in Belarus greifen aber zu eben diesem Zweck auf eine Reihe von innerstaatlichen Strafvorschriften zurück. Verleumdungsklagen können auf der Grundlage der Paragraphen 188 (Beleidigung), 189 (Beschimpfung), 367 (Verleumdung des Staatsoberhaupts), 368 (Beleidigung des Staatsoberhaupts) und 369 (Beleidigung eines Regierungsvertreters) erhoben werden. Im Falle ihrer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu zweijährige Freiheitsstrafen, Paragraph 367 sieht sogar bis zu fünf Jahre Haft vor.

Weitere Informationen zur Menschenrechtssituation in Belarus finden Sie hier.

26. März 2019