Gefangenem droht Verlegung in eine Strafzelle

Der gewaltlose politische Gefangene Mykalau Statkevich ist in Gefahr, für zehn Tage in eine Strafzelle verlegt zu werden, weil er seine Unterschrift unter ein Geständnis verweigert hat. Nach Angaben der Strafvollzugsbehörden ist Mykalau Statkevich selbstmordgefährdet. Seine Familie sorgt sich um sein Leben.

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Im Januar teilte der Leiter der Strafvollzugsanstalt Mahiliou mit, Mykalau Statkevich hege Selbstmordabsichten. Überzeugende Hinweise dafür, dass der Gefangene sich tatsächlich das Leben zu nehmen plant, liegen allerdings nicht vor. Seine Familie befürchtet, dass die Gefängnisbehörden mit dem Hinweis auf eine mögliche Gefährdung des Häftlings durch Selbstmord eine Erklärung für den Fall bereit halten, dass Mykalau Statkevich in staatlichem Gewahrsam etwas zustößt. Der Leiter der Hafteinrichtung Mahiliou bestätigte die Befürchtungen der Familie am 27. Juni auf einer Anhörung vor dem Strafvollzugsausschuss. Während eines Telefonats, das Mykalau Statkevich am 4. Juli mit seiner Ehefrau führte, war er in guter psychischer Verfassung. Nach der Anhörung vor dem Strafvollzusausschuss bat Mykalau Statkevich den Gefängnisdirektor schriftlich um Auskunft, auf welcher Grundlage er seine Schlussfolgerungen gezogen habe und ob er sich darauf berufen werde, sollte „mir im Gefängnis etwas zustoßen“. Mykalau Statkevich wurde zu zehn Tagen Haft in einer Strafzelle verurteilt, weil er einer Weisung vom 18. Juni nicht nachgekommen sein soll, an den Staatspräsidenten einen Antrag auf Begnadigung zu richten. In der Zeit davor hatten die Gefängnisbehörden behauptet, Mykalau Statkevich habe wiederholt gegen die Strafvollzugsvorschriften verstoßen, neige zu Gewalt und Ausbruchsversuchen. Nach Paragraph 411 des Strafgesetzbuchs von Belarus („Ungehorsam gegenüber der Gefängnisverwaltung“) muss Mykalau Statkevich damit rechnen, dass seine Freiheitsstrafe um bis zu zwölf Monate verlängert wird.

Mykalau Statkevich, Bewerber der Opposition um das Präsidentenamt in Belarus, wurde am 26. Mai 2011 des Verstoßes gegen Paragraph 293, Absatz 1 des Strafgesetzbuchs („Organisation von Massenunruhen“) schuldig gesprochen, weil er im Dezember 2010 nach den Wahlen an Demonstrationen teilgenommen hatte. Amnesty International geht davon aus, dass die gegen Mykalau Statkevich erhobenen Anklagen jeder Grundlage entbehren und allein aus dem Grund erhoben worden sind, weil er seine Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen hat. Im Januar 2012 wurde Mykalau Statkevich wegen angeblichen Verstoßes gegen die Strafvollzugsvorschriften aus der Strafkolonie Nr. 17 in Shklou nach Mahiliou in das dortige Gefängnis Nr. 4 verlegt. Die anhaltenden Schikanen gegen Mykalau Statkevich wegen vermeintlicher Missachtung der Strafvollzugsordnung scheinen das Ziel zu verfolgen, ihn physisch und psychisch unter Druck zu setzen, damit er ein Geständnis unterschreibt oder um Begnadigung bittet.

Hintergrundinformationen

Mykalau Statkevich ist einer von derzeit vier in Belarus in Haft befindlichen gewaltlosen politischen Gefangenen, deren Festnahme darin begründet liegt, dass sie am 19. Dezember 2010 an weitgehend friedlichen Demonstrationen teilgenommen hatten. An jenem Tag hatten sich in der Innenstadt von Minsk Zehntausende Menschen versammelt, um ihrem Protest gegen unfaire Wahlen Ausdruck zu verleihen. Die überwiegend friedliche Veranstaltung wurde durch einen gewalttätigen Zwischenfall vor dem Regierungssitz gestört, woraufhin die Bereitschaftspolizei einschritt und die Menschenmenge auseinander trieb.

Nach dem Vorfall wurden mehr als 700 Menschen festgenommen, die meisten von ihnen friedliche DemonstrantInnen und unbeteiligte PassantInnen. Die überwiegende Mehrheit wurde des Begehens einer Ordnungswidrigkeit angeklagt und zu Freiheitsstrafen zwischen zehn und 15 Tagen verurteilt. Gegen eine Reihe anderer ProtestteilnehmerInnen, unter ihnen sechs der sieben Bewerber der Opposition um das Präsidentenamt, weitere oppositionelle AktivistInnen und unabhängige JournalistInnen, erging hingegen Strafanklage unter anderem wegen „Herbeiführens von Massenunruhen“. Seit den Demonstrationen haben die Behörden landesweit die Büros oppositioneller Vereinigungen und regierungskritischer Medien durchsucht. MenschenrechtsverteidigerInnen, RechtsanwältInnen und andere zivilgesellschaftlich engagierte Personen sahen sich rigoros und in einem bislang nicht gekannten Ausmaß in ihren Aktivitäten eingeschränkt. Viele von ihnen sind in den Monaten nach der Demonstration festgenommen worden. Mehrere wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen vom Dezember 2010 verurteilte Personen sind frei gekommen, nachdem sie sich bereit erklärt hatten, schriftlich zu gestehen, dass sie „Massenunruhen“ organisiert oder sich daran beteiligt hatten.

Derzeit befinden sich noch vier gewaltlose politische Gefangene in Haft. Es handelt sich um Mykalau Statkevich (am 26. Mai 2011 zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt), Pavel Sevyarynets (gegen den am 16. Mai 2011 eine dreijährige Haftstrafen ergangen ist), Zmitser Dashkevich (am 24. März 2011 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt) und Eduard Lobau (am 24. März 2011 mit vier Jahren Haft belegt).

Weitere Informationen zur Menschenrechtssituation in Belarus finden Sie hier.

1. April 2019