Journalist droht Haftstrafe

Dem Korrespondenten der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza und bekannten polnisch-belarussischen Aktivisten Andrzej Poczobut drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Offiziell ist bislang noch keine Anklage gegen den Journalisten erhoben worden. Er wurde am 21. Juni aufgrund des Vorwurfs der “Verleumdung des Staatspräsidenten” nach Artikel 367 (2) des Strafgesetzbuchs der Republik Belarus verhaftet. Die Anschuldigung stützt sich auf von Andrzej Poczobut verfasste Artikel, die in unabhängigen Presseorganen des Landes erschienen waren.

Amnesty International betrachtet Andrzej Poczobut als gewaltlosen politischen Gefangenen, der nur wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde, und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

In seinen Artikeln hatte Andrzej Poczobut Strafverfahren und Urteil gegen Uladzislau Kavalyou und Dzmitry Kanavalau kritisiert, die im März 2012 im Zusammenhang mit einer Serie von Sprengstoffanschlägen in Belarus hingerichtet worden waren. Der Journalist hatte ferner die Haltung von Präsident Lukaschenko gegenüber der Europäischen Union und die Reaktion der belarussischen Behörden auf die Welle “schweigender Proteste” im Land beanstandet. Am 21. Juni wurde die Wohnung von Andrzej Poczobut durchsucht, wobei Unterlagen und sein Computer beschlagnahmt wurden.

Im März 2011 erging gegen Andrzej Poczobut im Zusammenhang mit Beiträgen, die er für die Gazeta Wyborcza verfasst hatte, Anklage wegen “Beleidigung des Staatspräsidenten” und “Verleumdung des Staatspräsidenten”. Am 5. Juli 2011 wurde der Journalist zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Amnesty International geht davon aus, dass die Festnahme von Andrzej Poczobut Teil eines seit langem zu beobachtenden Musters staatlicher Repression gegenüber zivilgesellschaftlich engagierten BürgerInnen und JournalistInnen darstellt. Nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2010 hat sich die Menschenrechtssituation im Land drastisch verschlechtert. Führende Oppositionelle wurden verhaftet, misshandelt und in unfairen Gerichtsverfahren abgeurteilt. Bis heute sehen sich regierungskritische NGOs, zivilgesellschaftlich engagierte AktivistInnen und JournalistInnen anhaltenden Schikanen ausgesetzt.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 33 der Verfassung von Belarus wie auch in internationalen Abkommen, die das Land ratifiziert hat, garantiert. Die Einhaltung dieses Rechts ist somit gesetzlich vorgeschrieben. Einschränkungen bei der legitimen Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unter Berufung auf das Strafgesetzbuch verstoßen nach Überzeugung von Amnesty International gegen die internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen von Belarus, insbesondere gegen Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Amnesty International ist es durchaus bewusst, dass nach Artikel 19 die Ausübung der verbrieften Rechte bestimmten Einschränkungen unterworfen werden kann, die für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer oder für den Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich sind.

Andererseits schützt der genannte Artikel das Recht auch auf harte Kritik an VertreterInnen der Regierung und anderer staatlicher Institutionen. Die Strafvorschriften eines Landes dürfen daher nicht herangezogen werden, um kritische Äußerungen über VertreterInnen der Staatsmacht, anderer staatlicher FunktionsträgerInnen oder über die von ihnen getroffenen Entscheidungen zu unterbinden. Ebenso wenig dürfen Strafgesetze zur Einschüchterung von Menschen missbraucht werden, die staatliches Handeln auf legitime Weise beanstanden.

Die Behörden in Belarus greifen aber zu eben diesem Zweck auf eine Reihe von innerstaatlichen Strafvorschriften zurück. Verleumdungsklagen können auf der Grundlage der Paragraphen 188 (Beleidigung), 189 (Beschimpfung), 367 (Verleumdung des Staatsoberhaupts), 368 (Beleidigung des Staatsoberhaupts) und 369 (Beleidigung eines Regierungsvertreters) erhoben werden. Im Falle ihrer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu zweijährige Freiheitsstrafen, Paragraph 367 sieht sogar bis zu fünf Jahre Haft vor.

Wenn Sie sich mit Amnesty International für Andrzej Poczobut einsetzen möchten, finden Sie hier eine Briefaktion und Petition!

Weitere Informationen zur Menschenrechtssituation in Belarus finden Sie hier.

1. April 2019