Anlässlich der 18. Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen hat Amnesty International eine Stellungnahme verfasst, um auf die dramatische Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Belarus seit den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 aufmerksam zu machen.
Der UN-Menschenrechtsrat wird sich im Zeitraum vom 12.-30. September 2011 in Genf mit Belarus befassen.
Präsident Alexander Lukashenka wurde bei den Wahlen am 19. Dezember 2010 laut offiziellen Angaben zum vierten Mal in seinem Amt bestätigt. Mehr als 20.000 Menschen versammelten sich noch in der Wahlnacht in der Hauptstadt Minsk um gegen Wahlmanipulationen zu demonstrieren und ihre Unterstützung für die Oppositionskandidaten zu bekunden. Kurz nach Ausbruch der Unruhen erschien die Bereitschaftspolizei und räumte den Oktoberplatz. Die Polizei ging dabei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die in überwältigender Mehrzahl friedlichen Demonstranten vor. Sieben der neun oppositionellen Kandidaten und über 700 weitere Personen wurden festgenommen, zahlreiche andere brutal zusammengeschlagen. Der Großteil der in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen inhaftierten Personen wurde in Schnellverfahren zu 10 bis 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Prominente Führungspersonen der Opposition wurden mundtot gemacht. Amnesty International betrachtet derzeit 11 Personen als gewaltlose politische Gefangene.
Seit Juni versammeln sich zudem immer wieder mehrere Demonstranten in kleinen und großen Gruppen in ganz Belarus, um ihre Opposition zur Politik der Regierung schweigend zu bekunden. In manchen Fällen applaudierten sie oder schlenderten wortlos umher. Bei einer Aktion stellten sie ihre Handywecker so ein, dass sie gleichzeitig klingelten. Nach Aussage des Menschenrechtszentrums Viasna haben die Behörden mehr als 2.000 Menschen festgenommen, die an “schweigenden Protesten” beteiligt waren. Bis zu 80% der Festgenommenen wurden anschließend zu fünf bis 15 Tagen Administrativhaft verurteilt oder erhielten eine Geldstrafe.
Am 4. August 2011 wurde Ales Bialatski, Vorsitzender des Menschenrechtszentrums Viasna und Vizepräsident der internationalen Menschenrechtsorganisation FIDH, festgenommen und wegen “Unterschlagung von Gewinnen in besonders großem Umfang” (Artikel 243.2 des belarussischen Strafgesetzbuches) angeklagt. Das belarussische Menschenrechtszentrum Viasna besteht seit 1998 und ist seit 1999 formell als NGO eingetragen. Nachdem Viasna in der Wahlbeobachtung aktiv war, wurde der Organisation 2003 der offizielle Status entzogen, und die Behörden haben seither wiederholt die behördliche Registrierung der Organisation behindert. Seit den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 steht die Organisation und ihre MitarbeiterInnen im Rahmen der weitverbreiteten Schikane der Zivilgesellschaft durch die Behörden im ganzen Land verstärkt unter Druck.
Lesen Sie dazu auch das Kurzdossier:
Attach:Amnesty-Stellungnahme_zur_Menschenrechtslage_in_Belarus.pdf